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Heimatmuseum Sindorf Jüdische Geschichte [SB_53199-SD_50079]
Jüdisches Leben | Stolpersteinverlegung | Familie Nathan (Heimatmuseum Sindorf CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Heimatmuseum Sindorf (CC BY-NC-SA)
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Jüdische Geschichte | Familie Nathan

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Beschreibung

Jüdische Geschichte | Familie Nathan

Auszug aus der Rede des Bürgermeisters der Kolpingstadt Kerpen Dieter Spürck anlässlich der Stolpersteinverlegung am 24.09.2022 in Sindorf, Herrenstraße 65

Moritz und Sibilla Nathan hatten an der Herrenstraße 65 ihre Metzgerei. Auf dem langgezogenen Grundstück, das fast bis an die Kerpener Straße reichte und Teile des heutigen Zentralplatzes umfasste, befanden sich nicht nur das große Wohnhaus mit Ladenlokal, sondern auch Ställe und weitere Nebengebäude. Moritz Nathan stammt ursprünglich aus der Kerpener Metzgerfamilie Nathan an der Stiftsstraße.

1912 zog er mit seiner Frau Sibilla, geborene Levy, nach Sindorf, wo er sich an der Herrenstraße ein neues Wohnhaus mit Schlachthaus errichtete. In den Jahren 1913 bis 1922 wurden insgesamt sechs Kinder geboren: Herbert, Walter, Hilde, Benno, Elly und Ernst. Nach 1935 wollte Moritz Nathan sein Geschäft erweitern und bekam eine Baugenehmigung, die er 1937 verlängern ließ. Die Gebühr zahlte er am 24.12.1937.

Im Lauf der Pogromnacht wurden auch sein Geschäft mit der Schaufensterscheibe zertrümmert und die Wohnräume verwüstet. Nur zwei Wochen später vermerkte man in der Bauakte lapidar vermerkt: „Baut nicht mehr“. Weitere zwei Wochen später verkaufte Moritz Nathan Haus und Hof in Sindorf-Sehnrath an die Eheleute Kämmerling und zog mit seiner Frau nach Köln, wo der Sohn Herbert bereits lebte. Ernst setzte sich ein paar Wochen zuvor nach England ab. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Benno, der zuletzt in Dortmund gearbeitet hatte, wurde nach der Reichspogromnacht im November 1938 im Konzentrationslager Dachau interniert. Bis zu seiner Flucht nach Belgien lebte er im Untergrund. In Belgien geriet er nochmals in Internierungshaft, wurde aber 1945 von den Amerikanern befreit. Im Frühjahr 1947 wanderte er mit seiner niederländischen Frau und seiner neugeborenen Tochter in die USA aus.

Im Rahmen des Rückerstattungsverfahrens für das Elternhaus in Sindorf-Sehnrath traf er Hilde und Walter wieder, die wie er überlebt hatten. Die Eltern Moritz und Sibylla wurden mit den Kindern Herbert und Elly Nathan im Juli 1942 von Köln nach Maly Trostinec deportiert und dort ermordet.

Wie schon in vergleichbaren Fällen ist der Inhalt der Entschädigungsakten beschämend. Ein Wille zur wenigstens materiellen Wiedergutmachung dieser beispiellosen Verbrechen ist meistens nicht erkennbar. Nicht nur das Handeln der Behörden macht fassungslos, auch diejenigen, die von den Verkäufen der jüdischen Familien profitiert haben, versuchen sich mit erlogenen Schutzbehauptungen zu exkulpieren oder müsste man sagen reinzuwaschen. So wird von den überlebenden Kindern ein Erbschein gefordert. Die Ansprüche werden zurückgewiesen oder klein gerechnet. Johann Kämmerling, der das Nathan Anwesen vier Wochen nach der Pogromnacht erworben hatte, wies auf eine vermeintlich jahrelange Freundschaft hin. Vor dem Kauf habe es monatelange Verhandlungen gegeben und Moritz Nathan, der bis kurz vor der Pogromnacht das Geschäft noch erweitern wollte, hatte ihm das Grundstück wiederholt zum Kauf angeboten. Angeblich. Auf ein Vergleichsangebot der überlebenden Kinder gingen die Käufer zunächst nicht ein.

Erst 1954 einigten sich die Parteien auf eine angemessene Entschädigung von Walter, Hilde und Benno. Das persönliche Wiedergutmachungsverfahren von Benno wurde erst 1982 beendet, 37 Jahre nach Kriegsende.

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