Über die Entstehung des Gemäldes ist wenig bekannt. Das Motiv erzählt uns aber, in welcher Form das Thema Krankheit in einem großbürgerlichen Ambiente des frühen 20. Jahrhunderts behandelt wurde. Wir sehen einen verdunkelten Salon, das warme Sonnenlicht wird durch die Vorhänge in der rechten oberen Ecke zurückgehalten. Den mit künstlichem Licht erhellten Vordergrund dominiert die Figur der auf einem Liegestuhl diagonal hingestreckten Patientin. Die junge Frau reicht ihren linken Arm einem Arzt, der ihren Pulsschlag mit einer Taschenuhr abgleicht. Der Kopf der jungen Frau ist gesenkt, ihr Gesichtsausdruck teilnahmslos. Die Figur des Arztes verschmilzt mit zwei weiteren dunkel gekleideten Männerfiguren, die sich im Hintergrund mit Anzeichen von Besorgnis unterhalten. Die Gruppe bildet eine Art mehrköpfiges männliches Kollektivwesen, beherrscht von der Sorge um die Patientin. Hinter der Liege steht eine dunkel gekleidete Bedienstete und rückt das Kissen zurecht. Die Wirkung der Szene ist ambivalent. Satirische Untertöne sind möglich: Krankheit in einer von sichtbarer Armut geprägten Umgebung stellt immer eine existentielle Bedrohung dar. In welchem Ausmaß unsere Patientin leidet, können wir nicht wissen, aber in einer sichtbar wohlhabenden Umgebung genießt sie professionelle Fürsorge und vermutlich kostspielige Aufmerksamkeit. Die Szene könnte auch dahingehend gelesen werden, dass Melancholie oder depressive Niedergeschlagenheit eine Zuflucht vor den Rollenzwängen in einer von dunkel gekleideten, männlichen Honoratioren dominierten Gesellschaft ermöglicht.
Das Ölgemälde ist auf das Jahr 1933 datiert. Die Signatur unten rechts "Celina Podesta de Capdety (?)" konnte nicht zugeordnet werden.
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