Edgar Ende war einer der bedeutendsten Schöpfer phantastischer und visionärer Kunst in Deutschland. Am 25. April 1944 wurde sein Atelier in München bei einem Bombenangriff völlig zerstört. Geschätzte drei Viertel seiner Arbeit wurden vernichtet. 1946 wurde seine Werke im Carnegie Institute in Washington ausgestellt, die erste internationale Ausstellung eines deutschen Malers nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Zeichnung "Die Schirme (Lazarus wartet)" entstand 1960. Im Vergleich zu seinen Gemälden wirkt das Bild nüchtern und reduziert. Ein bandagierter Körper auf einer Rollbahre liegt zwischen dutzenden aufgespannter Regenschirme. Verschiedene Deutungen bieten sich an. Sind die Schirme Hinterlassenschaften einer aufgelösten Begräbnisgesellschaft, die nicht länger auf ein Wunder warten wollte? Dann wäre der Verstorbene von Gott und denn Menschen verlassen. Die Anordnung der dicht gedrängten Schirme um den Körper jedoch vermittelt auch Schutz und Geborgenheit. So gesehen wird der Tote beschirmt von der liebevollen Erinnerung der Menschen, die ihn im Leben begleitet haben. Diese Erinnerungen erst bilden die Grabhöhle des Lukas-Evangeliums, aus der ein Lazarus wieder auferstehen kann.