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Schule | Erste Sindorfer Schulchronik | 1874

Heimatmuseum Sindorf Schulen [1874_SD_50036]
https://www.museum-digital.de/data/rheinland/resources/documents/202105/04154844628.pdf (Ulrichschule Sindorf (ab 06.12.2018: Stadtarchiv Kerpen) CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Ulrichschule Sindorf (ab 06.12.2018: Stadtarchiv Kerpen) (CC BY-NC-SA)
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Beschreibung

Schule | Erste Sindorfer Schulchronik | 1874

Der große Tresor der Ulrichschule Sindorf wurde im Sommer 2018 leergeräumt, da der Tresor an einen neuen Platz transportiert werden sollte. In der hintersten unteren Ecke fand man die erste Sindorfer Schulchronik aus dem Jahr 1874. Es wurden auch noch weitere alte Unterlagen und Protokollbücher gefunden. Der Heimatverein Sindorf wurde über diese wertvollen Funde von der Schule informiert. Für den Heimatverein Sindorf war sehr wichtig, dass die wertvollen alten Dokumente sicher und unter optimalen Bedingungen im Stadtarchiv Kerpen gelagert werden. Mit dem Schulleiter Jörg Paulke wurde vereinbart, dass diese Schulchroniken zur dauerhaften Aufbewahrung an das Stadtarchiv Kerpen übergeben werden. Diese Übergabe erfolgte am 06.12.2018 an den Bürgermeister Dieter Spürck. Er gab die wertvollen Dokumente gleich an die Stadtarchivarin Susanne Harke-Schmidt und an die Archivarin Susanne Kremmer weiter, die die Dokumente nicht nur aufbewahren, sondern auch auswerten.

Hinweise und Auswertungen [Quelle: Presseinformation der Kolpingstadt Kerpen, 06.12.2018]

Schulchroniken aus dem 19. bzw. aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählen zu den wichtigen regionalgeschichtlichen Quellen, weil sie nicht nur über alle die Schule unmittelbar betreffenden Ereignisse und Veränderungen berichten, sondern darüber hinaus besonders wichtige Vorkommnisse am Schulort festhalten.

Die erste Sindorfer "Schul-Chronik wurde angelegt von dem Lehrer Anton Schoenenberg im Jahr 1874. Durch Erkundigungen bei älteren [Leu-]ten konnte bis zum Jahre 1840 zurückgegriffen werden. Sämtliche Begebenheiten, die sich in diesem Zeiträume zugetragen und in näherer Beziehung zur Schule stehen, konnten nicht alle angeführt werden. Es konnte nur ermöglicht werden, den Wechsel des Lehrpersonals anzuführen.“

Häufig wiederkehrende Themen waren Veränderungen an oder in den Schulgebäuden, Wechsel in den Lehrerkollegien, Schulprüfungen und Schulentlassungen, Ferientermine und Schulfeiern, Revisionen durch Vertreter des Schulamts sowie durch Amtsärzte. Besonders hervorzuheben ist die Verhaftung des Lehrers der Mittelklasse, Franz Offergeld, der "1884 angeklagt [war], sich mit Mädchen seiner Klasse während der Schulzeit gegen die Sittlichkeit verfehlt zu haben." Zwei Monate später wurde er "zu einer zweijährigen Zuchthausstrafe und zum Ehrenverluste von drei Jahren verurteilt.“

Darüber hinaus berichtet die Schulchronik von schweren Stürmen (1874 und 1898), die große Schäden an der Ernte verursachten, von einem Erdbeben (1878), aber auch vom ersten Zeppelin, der über Sindorf gesichtet wurde (1909). Ähnlich wie in anderen Schulchroniken werden auch die Ereignisse des Ersten Weltkriegs und der Besatzungszeit, insbesondere in ihren Auswirkungen auf den Schulalltag, in einem eigenen Kapitel abgehandelt. Ausführlich wurde auch über den Bau des Bahnhofs Sindorf berichtet.

Weitere Auswertung der ersten Sindorfer Schulchronik:

"Am 12ten Maerz [1876] erhob sich gegen sieben Uhr abends ein heftiger Sturm, welcher bis 11 Uhr dauerte. Die Verheerungen, welche derselbe angerichtet, sind fast unglaublich. Diese alle anzuführen, wäre nicht möglich. Es soll daher nur ausgeführt werden, was wir in der näheren Umgebung durch eigene Anschauung wahrgenommen haben. In dem benachbarten Dorfe Ahe stürzten zwei große aus Ziegelsteinen erbaute Scheunen total zusammen. Der Loersfelder Park zeigte ??? rechts ein Bild von der Stärke des Sturms, denn mann sah daselbst über hundert der schönsten, stärksten Bäume entwurzelt am Boden liegen. Noch größere Zerstörungen sind im Schloßgarten in Brühl vorgekommen. Die Chausseen welche vor dem Sturme mit den schönsten Bäumen geziert, war nach demselben ihres schönen Schmuckes beraubt, da die Bäume teilweise entwurzelt am Boden lagen: Nicht weniger schrecklich hauste der Sturm in den Obstgärten. In den Dörfern sah man fast kein Haus, das vom Sturme verschont geblieben wäre, denn entweder waren Feinster eingestürzt, die Dächer zertrümmert oder gänzlich heruntergerissen. An dem hiesigen Schulgebäude war an der Westseite ein Stück des Daches von 5 Meter Länge mit Sparren und Latten heruntergerissen. Nach den Berichten der Zeitungen wurden an Fabriken große Kamine umgeworfen, Kirchthürme zertrümmert, Windmühlen vernichtet u.s.w.

Das Sedanfest wurde in hiesiger Schule am 2ten September [1876] wie im vorigen Jahre gefeiert. Aus der Gemeindekasse wurde an diesem Tage Geld für Weißbrod und drei Anker Bier bewilligt, welches auf dem Spaziergange unter die Kinder vertheilt wurde. [vgl. auch 1877]

[Anm. d. Red.: Der Sedantag (auch Tag von Sedan oder Sedanstag) war ein Gedenktag, der im Deutschen Kaiserreich (1871–1918) jährlich um den 2. September gefeiert wurde. Er erinnerte an die Kapitulation der französischen Armee am 2. September 1870 nach der Schlacht bei Sedan, in der preußische, bayerische, württembergische und sächsische Truppen nahe der französischen Stadt Sedan den entscheidenden Sieg im Deutsch-Französischen Krieg errungen hatten. Nach der Kapitulation seiner Armee hatte sich der französische Kaiser Napoleon III. der persönlichen Gefangenschaft des preußischen Königs Wilhelm I. überlassen. Anlässlich dieses Tages wurden ab 1871 im ganzen Deutschen Kaiserreich an zentralen Plätzen Siegesdenkmäler errichtet und meist mit feierlichen Zeremonien am Vortag des Sedantages eingeweiht.]

Am 26. August [1878] entstand morgens gegen 9 Uhr ein Erdbeben, welches 15-20 Sekunden dauerte. Dasselbe war von einem donnerähnlichen starken Getöse begleitet. In dem Lehrsaale wankten die Wände hin und her, die Fenster klirrten, die Schulgeräte sprangen auf und nieder die Balken und Sparren des Daches krachten und jeden Augenblick drohte das Gebäude zusammenzustürzen. Die Decke des Zimmers hat starke Risse bekommen. Von vielen Orten wird berichtet, daß Häuser und Kamine zusammenstürzten. Das Erdbeben erstreckte sich über Belgien, Holland, die Rheinprovinz, Westfalen und Hannover. Die Stöße sind nicht überall gleich stark verspürt worden. Im Laufe des Tages und der darauffolgenden Nacht wurden noch 5 Stöße wahrgenommen, welche an Stärke und Dauer dem ersten Stoße nicht gleich kamen.

Der Winter des Jahres 1890/91 war überaus streng. Vom 25. November bis zum 25. Januar fror es ununterbrochen. Massenhaft starben die Vögel vor Hunger. Ebenso litt das Wild großen Schaden. Die Zeitungen berichteten, daß in manchen Orten die Leichen nicht bestattet werden konnten, da man wegen des Frostes, der bis zu 1 1/1 m tief in die Erde gedrungen, keine Gräber graben konnte. Alle Flüsse und Seen Deutschlands, ja Nord- und Ostsee waren zugefroren, so daß die Schifffahrt gehemmt war. Viele tausende von Arbeitern mußten frieren und wurden brotlos. Not und Elend machten sich überall breit. Stellenweise stockten Handel und Verkehr durch hohen Schnee. Am Schlusse des Monats Januar stieg das Thermometer, welches an einzelnen Tagen bis zu -18 °R(eaumur) [= - 22,5 °C] sank, bis auf + 10 °R(eaumur) [= +12,5 °C].

[Anm. d. Red.: Die Réaumur-Skala in Grad Réaumur (Einheitenzeichen: °Ré, °Re, °Réaumur, eingeschränkt auch °R) ist eine veraltete Maßeinheit zur Messung der Temperatur. Sie wurde 1730 vom französischen Naturforscher René-Antoine Ferchault de Réaumur eingeführt.]

Der Lehrer der Knabenklasse. A(nton) Schoenenberg, welcher seit dem 16. Oktober 1893 wegen hochgradiger Nervosität beurlaubt war, nahm den Unterricht am 2. Jan(uar) 1894 wieder auf.

Am 18. Januar [1903] fiel der Unterricht in der Knaben- und Mädchenklasse aus, weil die betr(effenden) Lehrpersonen in Sachen Johann und Heinr(ich) Büßeler vor Gericht geladen waren. Die beiden genannten Knaben sollen nämlich der Fürsorgeerziehung überweisen werden, weil ihr ganzes Leben von der frühesten Jugend an eine Kette von Vergehungen aufweist. In der Schule sind Lügen, Trotz, Frechheit, Trägheit, Auflehnung und Verweigerung des Gehorsams an der Tagesordnung. Im Verkehr mit den Mitschülern sind die beiden Knaben unverträglich und zu blutigen Angriffen geneigt. Heinrich Büßeler wurde in der Schule eine Eisenplatte von 10cm Länge u(nd) 5cm Breite und Joh(ann) Büßeler der Griff eines Türschlosses abgenommen. Beide Gegenstände dienten als Schlagwerkzeug. Verfolgung fremder Kinder auf der Straße durch Steinwerfen kam häufig vor. Die Mitschüler wurden durch Angriffe und Steinwürfe häufig verwundet. Obstdiebstahl kam bei beiden häufig vor. Bei Joh(ann) Kaiser stiegen beide in den Keller und stahlen Möhren. Die Schulbücher wurden von beiden Knaben sämtlich zerrissen und unbrauchbar gemacht. In der Kirche trieben sie beständig während des Gottesdienstes Unfug, weshalb H(einrich) B(üsseler) isoliert sitzen mußte. Auf dem Kirchhofe wurden am Allerseelenabend die Kerzen von den Gräbern gestohlen und in der Schule den Mitschülern Bleistifte u(nd) sonstige Sachen entwendet. Die Stiefmutter klage dem Lehrer, sie fürchte in der Nacht, wenn ihr Mann die Nachtschicht habe, von den Knaben erschlagen zu werden. Ihre eigenen Kinder würden von beiden zu Bösem verführt und sie selbst würde krank durch den Ungehorsam und durch die beständige Auflehnung der Knaben.

Am 2. Sept(ember) [1918] wurde das Arbeitskommando der Indier von Sindorf abtransportiert. An ihre Stelle trat englisches Militär."

Schulärztliche Berichte

Am 9. April [1878] untersuchte der Arzt H. Keller von Kerpen die hiesige Knabenklasse und fand, daß 24 Knaben an den Krätzen litten, welche sodann 14 Tage von dem weitern Schulbesuche dispensirt wurden, bis das Uebel der betreffenden gehoben war.

Während des Winters 1889/90 herrschte eine bösartige Krankheit. Influenza genannt, in allen Staaten von Europa. Dieselbe forderte zahlreiche Opfer und zwar nicht allein in den Städten, sondern auch auf dem Lande. In manchen Gemeinden mußten die Schulen eine zeitlang geschlossen werden, weil die größte Zahl der Kinder von dieser Krankheit befallen war.

Am 23. September [1909] war eine von mir beantrage außerordentliche schulärztliche Revision, welche von Herrn Dr. Oster in Vertretung des Herrn Dr. Braun ausgeführt wurde. Seit Anfang September fehlten viele Mädchen der Mädchenklasse wegen Kopfhautausschlag. Dieses Übel trat ansteckend auf, ergriff auch Kinder, insbesondere Mädchen der Mittel- und Unterklasse. Der Befund des Arztes ergab Läusesucht bei etwa 20 Kindern. Der Arzt verordnete für alle Aufschläge mit Petroleum oder Sabadillessig in 3 aufeinanderfolgenden Nächten. Die Kinder der Knabenklasse waren von der Krankheit nicht ergriffen. Auf meinen Wunsch untersuchte der Arzt auch die Zähne der Kinder aller Klassen. In seinem Berichte an den Herrn Bürgermeister sage er darüber:
„Gleichzeitig sah ich mir die Zähne der Schulkinder an, die bis auf 2 bis 3 Ausnahmen bei allen, Knaben u(nd) Mädchen erstaunlich schlecht waren. Manche hatten ein vollständig krankhaftes Gebiß, fast jedes Kind mindestens 1 oder mehrere kariöse Zähne, was wohl hauptsächlich auf die schlechte Zahnpflege auf dem Lande zurückzuführen ist."

[Quelle: Kolpingstadt Kerpen, Presseinformation vom 06.12.2018]

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