Auf dieser Portraitpostkarte der Mascha Kaléko aus dem Jahre 1935 ist mit handschriftlicher Signatur auf der Rückseite vermerkt: "Liebe Mutti - als Vorschuß auf Dein Geburtstagsgeschenk - dieses Foto. Mascha".
Mascha Kaléko, am 7. Juni 1907 in Chrzanow (Schidlow) bei Auschwitz geboren, hat sich nur einmal heimisch gefühlt. Das war in Berlin, wo sie sich mit ihren zärtlich-ironischen Gedichten einen Platz neben Kurt Tucholsky und Erich Kästner eroberte. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 suchten die Eltern Zuflucht in Deutschland. So kam Mascha, eigentlich Golda Malka Engel, mit sieben Jahren nach Frankfurt am Main, dann nach Marburg und mit elf Jahren nach Berlin. Nach dem Realschulabschluss machte sie eine Lehre im Büro der Jüdischen Arbeiterfürsorge und bildete sich in Abendkursen weiter. 1930 lasen die Berliner ihre ersten Zeitungsgedichte. In der Vossischen Zeitung wurde sie mit ihren lyrischen "Berichten vom Alltag für den Alltag" berühmt. Im Jahr der Bücherverbrennung erschien ihr erster Gedichtband. Obwohl sie Jüden ist, riskiert Ernst Rowohlt 1935 einen zweiten Band und erhielt ein Jahr später Berufsverbot.
Mascha Kaléko, seit 1928 verheiratet, verliebte sich in den Musiker Chemjo Vinaver, bekam einen Sohn von ihm, ließ sich scheiden und heiratete Vinaver. Die Familie entkam kurz vor der Reichsprogromnacht nach New York. Mascha Kaléko hielt die Familie mit Reklametexten über Wasser und schrieb Kindergedichte. 1945 kam in den USA auf Deutsch ihr dritter Lyrikband heraus.
Ein Jahrzehnt dauerte es, bis Mascha Kaléko mit Gedichten auch in Deutschland wieder präsent war. Sie kam nach Berlin, las dort und im Westen Deutschlands, blieb aber nicht. Ihrem Mann zuliebe, einem Experten für Synogogalmusik, ging sie 1960 nach Israel, wo sie sich fremd fühlte in ihrem deutschen Sprachgehäuse.
Weitere Gedichtbände erschienen. Mascha Kaléko pendelte zwischen Jerusalem und Berlin. Über den frühen Tod ihres Sohnes 1968 ist sie nie hinweggekommen. Am 2. Januar 1975 starb sie an Magenkrebs in Zürich - 14 Monate nach ihrem Mann. (Jürgen Serke)